Die Lokomotive Nr. 640 von Bub bzw. die Nr. 1891 von Ullmann&Engelmann

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#1 | Die Lokomotive Nr. 640 von Bub bzw. die Nr. 1891 von Ullmann&Engelmann datum

21.03.2021 11:32 (zuletzt bearbeitet: 30.03.2021 17:27)

Hallo liebe Bubianer,

es ist mir ein hübsches Zügle von Bub zugeflogen, das sich nach näherer Betrachtung als recht speziell herausgestellt hat. In der Folge meiner Recherche zu diesem Zug bin ich auf eine ganze Reihe von Aussagen zu frühen Bub Zügen gestoßen, die sich als ungenau herausgestellt haben. Im Folgenden möchte ich versuchen, anhand von diesem Zügle als Belegstück ein paar dieser Aussagen zu präzisieren.

Der Post wird wohl etwas länger, daher werde ich ihn auf mehrere Teile aufteilen.

Im ersten Teil möchte ich zuerst den Zug vorstellen und die dazu passende Literatur nennen. Da in der Literatur doch einige Informationen fehlen, möchte ich den Zug erst einmal möglichst genau beschreiben. Der Zug besteht aus einer Lok Nr. 640 aus dem Bub Katalog mit Uhrwerk und einem grünen Personenwagen. Die Lok Nr. 640 läuft v+r, hat zwei Handhebel im Führerhaus und einen Fliehkraftregulator. Der Vorwärts- und Rückwärtslauf lässt sich von der Schiene aus mit einem Funktionsgleis umschalten. Es ist keine Marke vorhanden.

Bild 1: Lok Nr. 640 und Tender

Bild 2: Nur die Lok

Bild 3: Die Lok von unten

Der dazugehörige Wagen hat durchbrochene Radlager, in Gold lithografierte Zierlinien und Hakenkupplungen. Er hat eine Länge des Wagenkastens von 14cm. Es ist keine Marke vorhanden.

Bild 4: Wagen mit schöner Goldlitho

Weiterhin sind ein paar Details sehr interessant: Der Wagen hat eine Dachverlaschung mit 6 in die Dachmitte gebogenen Laschen. Die Räder sind frühe Blechräder mit angedeuteten Speichen und haben Innengewichte, die bei leichter Bewegung der Räder lustig klappern. Der Tender zur Lok hat dieselben klappernden Räder. Außerdem hat sowohl der Wagen als auch der Tender eine Hakenkupplung, die ich so in der Form noch nie gesehen habe. Auf diese Kupplung werde ich später noch weiter eingehen, ich möchte sie hier erstmal einfach nur die "komische Kupplung" nennen.

Bild 5: Die "komische Kupplung" an Wagen und Tender

Bild 6: Die "komische Kuppung" von unten

Bild 7: Die "komische Kupplung" in Nahaufnahme

Die Lok Nr. 640 ist laut Schiffmann Band 9 bauglich zur Nr. 637. Die Nr. 637 läuft aber nur vorwärts und hat eine Gleisbremse, die von einem Funktionsgleis aktiviert werden kann und nicht per Handhebel im Führerhaus. Sie hat daher keine Handhebel, obwohl die Löcher dafür vorhanden wären. Es gibt sie auch mit einem Stift, der seitlich unter dem Zylinder hervorragt und nach meiner Kenntnis in verschiedenen Funktionsbahnen wie z.B. der Drehscheibenbahn zum Einsatz kam. Dieselbe Lok gibt es auch mit K.B.N. oder G.C.&Co. auf der Rauchkammertüre, aber mein Exemplar ist ungemarkt.

Produktionszeit dieser Lok war von ca. 1905 bis 1923.

Da wären wir auch schon bei der ersten Ungenauigkeit. Im Schiffman Band 9 ist 1913-1924 als Produktionszeit angegeben, aber die Lok taucht bereits im Carette Katalog von 1905 auf - siehe dazu Seite 65 im Buch "Bub & Issmayer Trains" von Michael Bowes (siehe Bild 8). Die dort abgebildete Lok wurde übrigens vor 2 Jahren bei Lankes versteigert und befindet sich ebenfalls in meinem Fundus (siehe Bild 8 unten). Womit wir bei der zweiten Ungenauigkeit wären: Der im Bowes Buch abgebildete Tender ist mit relativ großer Sicherheit nicht immer schon dabei gewesen, sondern einmal verloren gegangen und später wieder ersetzt worden. Er ist aber vom richtigen Typ mit dem Unterschied, dass der passende Tender zur Lok normalerweise grüne Seitenflächen hat, dieser aber ist schwarz, was eine frühe Version sein kann, aber sicher bin ich mir nicht. Auf diese Weise landen Tender in Büchern, die eventuell gar nicht korrekt zugeordnet worden sind und in der Folge evtl. zu weiteren Fehleinschätzungen führen. Falls jemand etwas zur Farbe des Tenders sagen kann, wäre ich sehr dankbar (Edit: wahrscheinlich geklärt - siehe Post #21). Die nächste Ungenauigkeit folgt sofort: die Kupplung am abgebildeten Tender ist eine frühe Hakenkupplung (vom amerikanischen Typ), die komische Kupplung an meinem anderen Tender ist jedoch im Schiffmann nicht abgebildet - aber dazu wie gesagt später noch mehr.

Im Katalog von Ullmann&Engelmann von 1910 ist die Lok auch mit der Nr. 1891 abgebildet - siehe Seite 62 im Buch von Michael Bowes (siehe Bild 9). Die späteste mir bekannte Abbildung ist im Carette Katalog von 1911 zu finden. Desweiteren gibt es noch einen Ullmann&Engelmann Katalog von 1900 und weiterhin einen Bub und einen Gamages Katalog von 1902, in dem die Lok nicht abgebildet ist. Außerdem gibt es noch einen Gamages Katalog von 1906, den ich aber leider nicht besitze. Im Bub Katalog von 1925 und im Spielwaren-Universalkatalog von 1924 taucht sie nicht mehr auf, so dass man als Bauzeit ungefähr 1905 bis 1923 annehmen kann.

Präzise Aussagen kann man nur machen kann, wenn man die entsprechenden Kataloge und Abbildungen wie im Ullmann&Engelmann im Original oder in guter Kopie vorliegen hat. Daher hier die entsprechenden Abbildungen:

Bild 8: Die Lok Nr. 1891 im Ullmann&Engelmann Katalog von 1910 (Seite 65 im Bowes Buch)

Bild 9: Die ganze Produktionspalette von Bub im Ullmann&Engelmann Katalog von 1910 (Seite 62 im Bowes Buch)

Aussagen, die ohne konkreten Quellenhinweis oder Belege irgendwo im Internet zu finden sind, sind mit Vorsicht zu genießen. Manche dieser Aussagen wurden falsch übernommen, aus dem Kontext gerissen, oder anhand von Katalogabbildungen getroffen, die sich nach näherer Betrachtung des Originals als ähnlich aber eben doch nicht identisch herausstellen. Die Katalogabbildungen wurden ja von Hand mühsam in Holz geschnitzt oder gezeichnet. Die Kunst dieser Xylographen bzw. Buchdrucker ist absolut bewundernswert, aber manche Details sind dann halt doch nur ungenau wiedergegeben worden. Manche Abbildungen wurden auch viel später noch weiterverwendet, obwohl sich das Original bereits verändert hatte. Das ist auch verständlich, wenn man sich überlegt, wie lange ein Illustrator für eine einzige Abbildung benötigt hat. Dazu gibt es übrigens ein sehr schönes Video auf Youtube über den Xylograph Rudolf Rieß aus Nürnberg, den letzten seines Standes -> https://www.youtube.com/watch?v=23e_0CTt_9A

Ein Beispiel dafür, dass man genügend Falschaussagen selbst in sorgfältig recherchierter Sammlerliteratur findet, ist also die Jahreszahl 1913 im Schiffmann oder der Tender im Bowes Buch. Ich werde mich im Folgenden daher wann immer möglich auf originale Belegstücke verlassen, die ich selber in der Hand halten und im Detail anschauen und zuordnen kann, d.h. hauptsächlich auf Originalkataloge und die Loks aus dem eigenen Fundus.

... Teil 2 folgt ...

Viele Grüße aus Nürnberg
Stefan

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