RE: Frage an die Bub/Issmayer-Fachleute - Frage gelöst - Rissmann! - 2

Zum Aufbau eines Sortiments:

Schuhmann hätte von 1905 bis 1911 Zeit dafür gehabt. Das sind 6 Jahre. Rissmann hat im Vergleich dazu von 1907 bis spätestens 1912 ein vielfältiges neues Sortiment aufgebaut. Das sind 5 Jahre. Kein Ding der Unmöglichkeit also.

Ich halte es sogar für notwendig, um gegen die etablierte Konkurrenz von Issmayer und Bub zu bestehen und seine eigene Nische zu finden. Nur leider sind aus dieser Zeit extrem wenige Stücke erhalten geblieben, die mehr über das damalige Sortiment erzählen könnten wie z.B. die frühen Bodenläufer. Die belegten Stücke bei den Bodenläufern kann man wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Daneben gibt es auch ein paar sehr alte Loks mit AS Markung. Auch die kann man an einer Hand abzählen. Aber es gibt sie. Du hast eine und ich habe auch eine.

Aufgrund der Seltenheit und fehlender Anhaltspunkte wie Kataloge, Gebrauchsmuster usw. ist eine genaue Datierung dieser Loks fast unmöglich. Sie könnten bereits vor dem 1.WK entstanden sein - oder auch nicht. Insofern stimme ich zu, dass man das mit einem großen Fragezeichen versehen muss, aber prinzipiell ausschliessen kann man es auch nicht. Diese Loks haben jedenfalls Fertigungsdetails wie Gussräder und eine Lithotechnik, die auf eine sehr frühe Herstellung hindeuten. Wie früh genau ist hier die große Frage.

Andererseits sind im Katalog von Louis Linder 1913 schon Loks von Schuhmann abgebildet (wurde hier schon mehrfach gezeigt und angesprochen). Da erscheint auch eine Zulieferung an Carette 1911 schon nicht mehr so ganz unwahrscheinlich. Ich halte es daher für naheliegend, dass Schuhman bereits im Zeitraum 1911-1913 ein gewisses Sortiment an Uhrwerkloks (und Bodenläufern) aufbauen konnte.

Hier nochmal die vorhin angesprochenen Packungen von Schuhmann (Bodenläufer und Lok) aus dem Katalog von Louis Lindner:





PS: Dieter hat eine solche frühe Lok mal hier gezeigt, wenn ich mich recht erinnere. Ich glaube im Zusammenhang mit den frühen Untergestellen von H. Fischer.

Nachtrag zu #19:

Ich war mir erst nicht ganz sicher, aber die in #19 gezeigte Lok im Carette Katalog von 1911 ordne ich Bub zu. Die Lok hat einen Aufzugsschlüssel wie er in #8 gezeigt wird.

Damit hat Bub in 1911 nachweislich eine erste Version des Aufzugsschlüssels im Programm wie er später dann auch z.B. in den Katalogen von 1925 bei der Nr. 406/4 und 1929 bei der Nr. 309/3 vorkommt. Beides kleine günstige Loks.

Diese Aufzugsschlüssel sind sowohl bei Bub als auch Rissmann für die günstigen Modelle verwendet worden. Die etwas teureren Modelle hatten dann bei Bub einen Steckschlüssel. Bei Rissman hat z.B. die aufwendigere Pfeiflok auch einen Steckschlüssel. Das ergibt zusammen genommen ein stimmiges Bild vom Einsatzbereich des Schlüssels bei Bub und Rissmann.

Die eine bekannte Pfeiflok von Rissmann steht auf meinem Schreibtisch und hat den Rissmann-Knebel.

Zitat von snroettg im Beitrag #19

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Weiter geht es mit dem Auftreten des Uhrwerkschlüssels im Carette Katalog von 1911. Es gibt z.B. diese Lok, wo man den Schlüssel einigermassen erkennen kann - leider ist die Abbildung nicht besonders gut:



Ich bin mir mit der Zuordnung der Lok nicht 100%ig sicher, die Wagen sehen nach Bub aus, ich bin mir jedoch sicher, dass es keine Lok von Rissmann ist. Das ist also ein konkretes Beispiel für ein Vorkommen des Festschlüssels vor dem 1.WK bei anderen Herstellern als Rissmann. Rissman hat diesen Schlüsseltyp also nicht für sich alleine gepachtet.

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Zu #29: Sorry, da hab ich mich verschaut, aber es gibt eine ähnliche Lok wie die Pfeiflok von Rissman mit Steckschlüssel.

Ich gehe davon aus, dass Rissmann keine Steckschlüssel-Uhrwerke herstellte. Wo der Knebel nicht dran ist, da fehlt er vermutlich. Als Beleg führe ich die relativ langen Vierkante an, die so nicht hätten sein müssen, wenn man mit Schlüssel aufzieht. Die langen Vierkante sind aber sinnvoll, wenn zuvor ein Knebel aufgepresst war. Ich besitze nur Loks mit Knebel und kann daher nicht am Objekt nachsehen, ob Spuren von einem fehlenden Hebel zu sehen sind. Das ist also eine These. Die Zeit wird es mit sich bringen.

Zu #30: Ja, genau das sollte das Bild belegen, dass auch bereits 1911 Bub diesen Knebel verwendet. Desweiteren ist der Knebel in #8 an einem Bub Uhrwerk von etwa 1911 gezeigt und dieser Knebel ist nachweislich nicht identisch mit Rissmann. Mehr sollte das auch erstmal nicht "beweisen". Hab ich so etwas etwa oben geschrieben?

Du stellst oben hingegen die These auf, dass Rissmann diese Uhrwerke nicht selber hergestellt hat. Dann fang doch bitte an, für Deine Thesen Belege zu posten. Ich hab noch keinen einzigen gesehen. Ich versuche hier die Zusammenhänge aufzuzeigen und für meine Schlussfolgerungen auch immer Belege zu zeigen, aber von Dir kommen nur nebulöse Behauptungen, von denen Du selber sagst, dass Du sie nicht belegen kannst.

Von wem sollen die Uhrwerke denn dann gekommen sein? Von Issmayer vielleicht? Wieder so eine unbelegte Vermutung. Zeig bitte ein Uhrwerk von Issmayer mit so einem Knebel, das auch wirklich nachweislich von Issmayer wäre. Das wäre mal ein Anfang.

Ansonsten lass doch bitte solche Vermutung in der Schublade, wenn Du nicht einen einzigen konkreten Beleg oder ein stichhaltiges Indiz vorzuweisen hast.

Zurück zur eigentlichen Frage in #1:

Wie lassen sich Bub und Issmayer unterscheiden? Eine Pauschalantwort darauf gibt es leider nicht, weil sich viele Stücke der beiden bis zur Verwechslung ähnlich sehen. Hier ein Beispiel:



Links Issmayer, rechts Bub.

In diesem Fall lässt sich die Zuordnung über das Bullauge über der Türe herstellen. Dieses Bullauge ist ganz typisch für Bub. In vielen anderen Fällen geht das aber leider nicht so einfach. Da muss man viel vergleichen - z.B. das Untergestell - und wie Arne schon geschrieben hatte sich vor allem eine gute Literaturbasis für solche Vergleiche zulegen.

Und hier lauert die nächste Falle. Auch in der Literatur sind Falschzuordnungen bekannt. In mancher Literatur sogar gar nicht selten. Man sollte sich bei Issmayer daher immer einen gesunden Skeptizismus bewahren und sich wenn möglich nicht nur auf eine einzige Quelle verlassen.

Gerade zu den Wagen hatte ich schon 2020 eine Vergleichshilfe geschrieben, siehe hier:

Bub-Issmayer

mit bestem Gruß

Arne

Danke, dass Du das nochmal erwähnt hast. Das ist wohl ohne Zweifel die beste und vor allem fehlerloseste Referenz zu diesen Wagen. Nichtsdestotrotz werden auf vielen Auktionen und anderen Gelegenheiten immer wieder Fehlzuordnungen gemacht. Viele Auktionatoren verwenden noch Bücher aus den 80ern mit Informationen, die längst veraltet sind. Damit muss man bei Issmayer immer rechnen.

Hallo,

Uhrwerk - selbst hergestellt oder geliefert ? Man muss das so sehen: So eine Uhrwerkskonstruktion ist immer ein Meisterwerk, und zwar von einem Uhrwerkmeister. Den hat nicht so einfach jeder Blechspielwarenhersteller an der Hand. Und deshalb musste man sich manchmal umsehen, von wem man ein gutes Uhrwerk erhielt. Uhrwerke für Eisenbahnen änderten sich dauernd, wie man an der Masse der Patente und Gebrauchsmuster der Zeit sehen kann. Kam dann ein Fachmann in die Firma, wurden eigene Uhrwerke gebaut. Also, Genaues weiß man nicht, es kann mal so oder auch so gewesen sein.

Schönen Gruß
Udo

Der Fachmann für Uhrwerke ist wohl nur die eine Hälfte.
Wenn man sich die ganzen komplizierten Stände und Gewerbeordnungen ansieht brauchte man wohl den Uhrmachermeister und das Gewerbe musste auch dafür angepasst werden. Ein Flaschner welcher Spielzeug herstellte durfte bestimmt keine Uhrwerke bauen.

mit bestem Gruß

Arne

Das war auch der Grund, warum Markus Büchner aus Nürnberg seine Blechspielzeuge mit Uhrwerken versah, die er ab 1810 aus Paris bezog.

Spielzeug-Eisenbahnen vor 1869 (update 11.9.2021, Katalogbilder von 1850) (2)

Da werden jetzt aber die Jahrzehnte des 19ten und 20ten Jahrhunderts ganz schön durcheinander gewirbelt.

Zuerst einmal ist daher zu klären, von welcher Zeit ihr redet. Von vor der Geweerbefreiheit 1868 oder danach?

Wenn ihr von der Zeit danach redet, dann gab es keine Zünfte mehr und folglich auch keinen Zwang, dass "ein Spielzeughersteller bestimmt keine Uhrwerke herstellen durfte". Er könnte einfach einen Uhrmachermeister eingestellt haben. Für die Zeit davor fehlt ein Beleg, wo man das genauer überprüfen könnte. Was ein Meister herstellen darf und was nicht, ist wo nachzulesen?

Wenn man das nun auf Rissmann ab 1907 anwendet, dann funktioniert die Argumentation mit der Zulieferung nicht. Auch auf Issmayer bezogen kann es nicht zutreffen, denn das Gründungsjahr der Firma Johann Andreas Issmayer ist zwar 1861, die allerersten Eisenbahnen von Issmayer mit Uhrwerk werden aber auf 1879 datiert (siehe Cieslik).

Wenn ihr euch auf die Zeit davor bezieht, dann gibt es die Zünfte noch. Büchner dürfte davon betroffen sein. Dass er Uhrwerke aus Paris bezog kann stimmen, aber das könnte auch einfach den Grund gehabt haben, dass Paris zu dieser Zeit einfach fortschrittlicher war und die besten Uhrwerke anbot und man selber noch nicht so weit war (vergleiche die Vielzahl verschiedenster früher Uhrwerke bei Dessein, Faivre, Maltet&Parent usw.). Mich würde weiterhin der Beleg interessieren, wo Paris als Herkunftsort erwähnt wird.

Randnotiz zu Pariser Uhrmachermeistern: Auch die vielgerühmte Henlein Uhr aus Nürnberg ist nicht die erste Taschenuhr sondern geht auf die handwerklichen Fähigkeiten von Pariser Uhrmachermeistern zurück, deren sog. Bisamäpfel die Henlein Uhren um ca. 30-50 Jahre vordatieren. Nachzulesen in: Thomas Eser: Die Henlein-Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum. Rückblick, Ausblick, neue Funde. In: Deutsche Gesellschaft für Chronometrie. Jahresschrift. Band 54, 2015, ISBN 978-3-923422-23-4, S. 23–44.

Für die Zeit nach ca. 1900 sieht es dann wiederum ganz anders aus. Hier gibt es für jeden der großen Hersteller von Eisenbahnen in Nürnberg unzählige Patente und Gebrauchsmuster, die sich direkt auf "Federwerke" beziehen. Als Beleg dient der Cieslik, in dem all diese Gebrauchsmuster und Patente akribisch aufgelistet sind und nachgelesen werden können.

Wie soll das also nun zusammen gehen, dass Uhrwerke zugeliefert worden sein sollen, wenn die Hersteller selber spätestens ab ca. 1900 gesetzlich geschützte Uhr- und Federwerke produziert haben und die Uhrwerke z.B. bei Bing und Bub alle spezifische Eigenschaften aufweisen (Bremse, Regulator usw.), die für den jeweiligen Hersteller ganz typisch (weil eben gesetzlich geschützt) sind?

Ich zähle übrigens auch für Rissman drei Gebrauchsmuster, wo das Wort Federwerk bzw. Uhrwerk explizit vorkommt.

Belege und Referenzen gibt es von meiner Seite nun genug. Kann jetzt jeder selber seine eigenen Recherchen z.B. im Cieslik unternehmen und seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen.

Hallo, Stefan,

in den Akten der Nürnberger Flaschner-Zunft wird 1820 erwähnt: Der Johann Lorenz Büchner, geb. 1792, beantragt 1820 die Meisterrechte und führt an, dass er und seine Brüder keine gewöhnlichen Blecharbeiten ausführen, sondern sie würden allerlei Getier mit mechanischen Aufzug fertigen. Die eigenen Entwürfe würden sehr stark gekauft und deshalb wären sowohl seine eigene Werkstatt als auch die seines Bruders gut beschäftigt.

Dort steht "Bezieht die Uhrwerke aus Paris". Der Grund, die Triebwerke aus Frankreich zu beziehen, ist tatsächlich so, wie du schreibst: "Man selber war einfach noch nicht so weit".

In Bezug auf die Herstellung der Uhrwerke um 1900 machst du dir das zu einfach. Ein Flaschner konnte keine Uhrwerke bauen. Gerade bei Uhrwerken gibt es eine hohe Fertigungsgröße. Dazu musste er einen Uhrmacher beschäftigen, der das konnte.

Ergänzung und Richtigstellung um 18.02 Uhr in Beitrag #45

Schönen Gruß
Udo

Es war von mir wohl etwas missverständlich ausgedrückt. Es geht darum, das man in Deutschland bis heute den Meisterzwang für viele Gewerke hat. Man darf nicht so ohne weiteres Gewerkeübergreifend arbeiten.

Allerdings trifft das wohl für unseren diskutierten Zeitraum so nicht zu.

Aus Wikipedia zum Thema Meisterzwang:

1869 wurde die Gewerbefreiheit im Handwerk flächendeckend umgesetzt.

1897 wurde der Meistertitel wieder eingeführt und ab 1908 der Meisterbrief von denjenigen verlangt, die Lehrlinge ausbilden wollten.

1935 wurde der Meisterbrief als Voraussetzung zur Selbständigkeit in Deutschland im Handwerk wieder eingeführt.


mit bestem Gruß

Arne

@Arne: Der Meister bezieht sich dann also ab 1908 auf "ausbilden" und nicht "herstellen". Immer noch kein Grund gegen die Eigenherstellung.

@Udo: Ich mache es mir nicht zu einfach. Im Gegenteil: Ich bringe konkrete Gebrauchsmuster, die eben genau eine große Fertigungstiefe bis in die Mechanik der Uhrwerke bereits ab 1900 belegen. Du behauptest, dass man das nicht konnte, bringst aber ansonsten keinen konkreten Beleg dafür. Bloss weil man es nicht glauben mag, ist die Erde dann doch keine Scheibe. Bub kann konplizierteste Bahnspiele schon weit vor dem 1.WK herstellen, aber ein paar simple Achsen und Zahnräder, die es um 1900 bereits fertig zu beziehen gab, in zwei Platinen einzubauen, sollen sie nicht auch gekonnt haben?

Bringt bitte klare nachvollziehbare Gründe, wieso etwas nicht sein kann.

Und vor allem möchte ich bitte einen nachvollziehbaren Grund dafür hören, wieso es ab ca. 1900 jede Menge Patente auf Uhrwerke gibt, wenn die Hersteller nicht die Fertigungstiefe gehabt haben sollen, das auch selber herstellen zu können.

Hallo Stefan

vielleicht hilft das Beispiel Günthermann:

Zum 25-Jahr Jubiläum 1902 hat Weigel sich ausführlich zur Produktion geäussert (Siehe DAN Band 2):
Um 1893 wurde die Produktion von eigenen Uhrwerken eingeführt. Für die Produktion von 720'000 Uhrwerken hatte er 1902 25 Spezialfräsmaschinen und eine Spezialmaschine für die Aufzugsstifte im Einsatz. Die Montage erfolgte anfangs im Werk, danach wurden die 30 zuständigen Arbeiter "outgesourced" und wie die Lackierung wurde diese dann in Heimarbeit gemacht.

Daraus schliesse ich, dass der hohe Investitionsbedarf für eine eigene Produktion von Einzelteilen nur die wenigen Grossbetrieb stemmen konnten, die Montage aber dann wohl jeder machen konnte. Kleinere und mittlere Betriebe hatten auch nicht das Kapital auf Vorrat zu produzieren, mit Heimarbeit konnte auf einfache Art saisonale Schwankungen aufgefangen werden.

Bub war 1900 sicher noch ein kleiner Betrieb (nach Abzug der 5 grossen Betriebe war die durchschnittliche Betriebsgrösse in Nürnberg 12 Arbeiter).
Irgendwann hat auch Bub den Sprung zu den Grossen geschaft, ob das mit dem Kauf der Gostenhofer Hauptstrasse 46 von Wilhelm Blum im März 1907 geschah oder früher oder später, weiss ich nicht.

Ettinger war wohl immer knapp bei Kasse (Versäumnisurteil über Wechsel 1877, dauernder Wohnungswechsel).
Der gnadenlose Konkurrenzkampf und die Preisdrückerei nach 1900 machen den Kauf eines teuren Maschinenparks durch den Kleinbetrieb von Rissmann wenig wahrscheinlich.

Neben dem Einkauf aus Frankreich und der Schweiz (irgendwo habe ich eib Verkaufsinserat für überzählige Schweizer Uhrwerke eines Nürnberger Herstellers) gab es auch in Nürnberg Firmen die sich auf sowas spezialisiert hatten.
Neben dem vielgenannten Bühler gab es z.B. 1890 Leonhard Schmidt im Rosenthal 29.

Gruss Domenik

Hallo,Stefan,

da habe ich mich im Beitrag #41 falsch ausgedrückt. Natürlich konnte eine Flaschnerfirma Uhrwerke bauen. Das ist klar. Was aber ein Flaschner nicht konnte, war eine neue Konstruktion und Entwicklung eines Uhrwerks, in der Regel mit solchen Veränderungen, die patentwürdig waren. Das hatte ich gemeint.

Schönen Gruß
Udo

Wunderbar, konkrete Belege, Danke Domenik!

Die Belege für Günthermann für eine Eigenproduktion von Uhrwerken ab 1893 decken sich mit meiner Einschätzung, dass ab ca. 1900 sich eine Eigenproduktion etablieren konnte.

Inwiefern kleinere Hersteller nicht die nötige Investitionsdecke hatten, ist offen, aber bleiben wir doch erstmal bei den größeren Herstellern von Uhrwerkseisenbahnen zu denen bereits 1900 auch Bub gehört hat.

Bub war damals kein "kleiner Betrieb" mehr. Die Mitarbeiterzahl betrug bereits 1895 um 50 Mitarbeiter und 1905 um 250 Mitarbeiter (siehe TPF Beitrag zu Bub von Dieter Käßer) mit der entsprechenden Kapitaldeckung und Maschinenpark. Die Größe war in etwa vergleichbar mit Günthermann. Bub hat außerdem schon 1900 ein Patent auf ein Uhrwerk mit Vorwärts/Rückwärts-Schaltung (Britisches Patent No 8949 aus 1900). Er gehört also genau wie Günthermann zur Riege derjenigen, welche ab 1900 ihre Uhrwerke selber bauen. Dazu gehört selbstverständlich auch Bing als Branchenprimus (siehe DRP 132256 aus 1901 zur Regulierung von Federtriebwerken) sowie auch Märklin.

Nun haben also nachweislich Günthermann, Bub und Bing selber produziert. Für Fandor sieht es vergleichbar aus, aber Fandor wird erst 1910 gegründet.

Wie schaut es nun aber mit den kleineren frühen Herstellern aus? Diese könnten wie Domenik einwendet, Laufwerke bezogen haben. Ich hatte hier schon Bühler erwähnt. Daneben gibt es noch Weiss und Ulbricht als Hersteller von Laufwerken vor dem 1.WK. Und Domenik nennt oben auch noch Schmidt.

Waren das nun Uhrwerke, die in Eisenbahnen zum Einsatz kamen? Wahrscheinlich nicht, denn eigentlich fast jeder Hersteller in diesem speziellen Sektor hat irgendwo wie Bing ein Patent auf einen Regulierungsmechanismus, Schienenbremse, Gesperre, Rückwärtsschaltung, Pfeifmechanismus etc. pp. der für Eisenbahnen relevant ist und den sie selber entwickelt und sich patentieren haben lassen. Für simples mechanisches Spielzeug wie laufende Enten oder einfache Bodenläufer und dergleichen ist das natürlich nicht notwendig. Daher dürfte man sich hier wahrscheinlich bei obigen Zulieferern bedient haben.

Aber es ging ja um die Uhrwerke für Uhrwerkeisenbahnen und nicht allgemein um mechanisches Spielzeug.

Die Eigenproduktion bei Günthermann, Bing und Bub ist offensichtlich aber wie sah es nun bei den kleineren wie Rissmann aus?

Rissmann hat sich in 1907 folgendes DRGM 322049 schützen lassen: "Im Federwerkgehäuse angeordneter, doppelarmiger und in das Getriebe eingreifender Hebel zur Hemmung des Werkes."

Diese Hemmung war Bestandteil eines Uhrwerkes, das Rissmann selber entwickelt haben muss und die Hemmung war als zentraler Teil in diese Antriebseinheiten integriert. Das beweist, das Rissmann schon im Jahr 1907 der Übernahme eigene Uhrwerke entwickelt und hergestellt hat und wie wichtig es für einen Eisenbahnhersteller war, hier eigenes Knowhow aufzubauen - z.B. für eine effektive und gleichzeitig gut selber zu produzierende Hemmung. Die Hemmung war eine der Kernkompetenzen eines Eisenbahnherstellers. Dies hat man keinem Fremdhersteller überlassen.

Die Eigenfertigung erweitert sich dadurch auch auf kleinere Hersteller von Uhrwerkseisenbahnen wie Rissmann und auch bei anderen dürfte es ähnlich gewesen sein, wenn man sich die entsprechenden DRGM dazu im Cieslik anschaut. Ich beziehe mich wie gesagt auf Hersteller von Uhrwerkseisenbahnen und nicht auf die vielen anderen Hersteller von allgemeinem mechanischen Spielzeug (Lehmann, Schuco, Kellermann usw.).

Und damit wären wir wieder bei meiner ursprünglichen Aussage, dass die meisten frühen Hersteller von Uhrwerkseisenbahnen ab ca. 1900 das Knowhow zur Eigenfertigung hatten und folglich ihre Uhrwerke auch selber herstellen konnten. Manche wie Günthermann sogar noch deutlich früher.

Nachtrag:

Auch Schuhmann hat die Kompetenz zur Eigenfertigung. Siehe DRGM 972295 über ein "Schraubenfedertriebwerk".

Es wurde hier auch mal in Frage gestellt, dass Schuhmann bereits vor dem 1.WK Eisenbahnen produziert hat. Es wurde gemutmaßt, dass Schuhmann hier nur Bodenläufer hergestellt hat.

Diese Vermutung lässt sich ganz einfach durch DRGM 295967 von 1907 widerlegen, in dem ein "Anhaltemechanismus für Spielzeuglokomotiven" beschrieben ist.

Es wurde weiterhin eine Zulieferung von Issmayer von Uhrwerken vermutet. Hier sind die Belege ausbleibend, so dass sich diese Vermutung wohl ebenfalls erledigt hat.

Ich würde mir in Retroperspektive wünschen, dass hier weniger vermutet und pauschalisiert aber dafür mehr und gründlicher recherchiert und belegt wird.

Auch für Heinrich Fischer findet sich das DRGM 290371 aus 1906 über eine "Hemmvorrichtung für Federtriebwerke".

Damit ist sowohl für die allermeisten großen als auch kleinen Uhrwerkseisenbahnhersteller vor dem 1.WK die Kompetenz zur Eigenfertigung nachgewiesen.

Nochmal zwei:

DRGM 430200 von Kraus in 1910: "Geschwindigkeitsregler mit an einer Scheibe schwingendem Bremsstück".

DRGM 71829 von Märklin in 1897: "Spieleisenbahn-Lokomotive mit durch Aus- und Einschalten einer Windflügelwelle in das Räder-Getrieb erzielter größerer oder geringerer Fahrt-Geschwindigkeit."

Jetzt sind eigentlich alle beisammen. Wer sich fragt, wo Schoenner, Plank und Carette bleiben: Diese haben hauptsächlich Echtdampfloks hergestellt und folglich Schieber- und ähnliche Zylindersteuerungen patentiert.

Ich möchte daher meine Aussage dahingehend erweitern, dass ALLE frühen Nürnberger Uhrwerkseisenbahnhersteller beginnend ab ca. 1900 bis spätestens 1910 die Kompetenz hatten, ihre Uhrwerke selber herzustellen. Und die Dampflokhersteller entsprechend ihre Dampfzylinder- und Steuerungen.

Den allzu offensichlichen Kandidaten Issmayer hatte ich ganz vergessen. Aber auch hier gibt es das DRGM 13475 aus 1893 zu einem "Laufwerk mit Schneckenantrieb, gekennzeichnet durch die Anordnung eines von einer Triebfeder getriebenen Zapfen-Triebrades".

Issmayer ist also genau wie Günthermann ein früher Vogel. Nicht weiter verwunderlich bedenkt man das frühe Gründungsjahr 1861.