RE: Ungewöhnliches Gleisstück einer Tinplate-Bahn Spur 0 - 2

Hallo, liebe Tinplate-Freunde!

Nach langer Zeit melde ich mich mal wieder. Dass es in dieser Rubrik ist, hat seinen Grund: die von Dieter vorgestellte Bahn ist mittlerweile bei mir gelandet und verziert das Alte Bahnhaus, in dem ich lebe.
Schon lange war ich fasziniert von der MOSKABEL PIONERSKAYA, habe mich aber immer krampfhaft von Spur 0 ferngehalten. Ist bei meinen räumlich beschränkten Wohnverhältnissen in einem Streckenwärterhäuschen von 1845 ja auch verständlich. Beim Treffen in Berlin im Oktober brach mein Widerstand allerdings restlos zusammen und die Stalinbahn reiste mit nach Schleswig-Holstein!

Joachim, der die Bahn in Berlin kenntnisreich betreute, hat mir allerlei technisch Wissenswertes erzählt. Ich habe den Abbau fotografisch dokumentiert und mir auch eine Menge Notizen gemacht.
Mittlerweile habe ich mich recht gut in die Geschichte der Bahn eingelesen und bin vertraut mit dem Hintergrund. Auch die Technik - mit dem sonderbaren Kabelbaum - hat sich mir erschlossen. Eine große Hilfe dabei war die hervorragende Internetseite www.davestrains.com, die außerordentlich detailliert über die Stalinbahn Auskunft gibt. Lohnt sich, da mal hineinzuschauen!

Am 16. November 2014 hatte meine schöne Bahn ihren nächsten Auftritt: in Hamburg auf der Tausch- und Plauschbörse des Fördervereines für die Erhaltung technischen Kulturgutes e.V. drehte sie auf der Bühne unverdrossen ihre Runden. Mein Dank geht an Jan Dzuber, der im Handumdrehen nicht nur die Geheimnisse des Kabelbaumes entschlüsselte, sondern auch die elektromechanischen Funktionen des Zubehörs in Gang setzte. Wieder habe ich eine Menge dazugelernt!

Wir haben die Bahn in Hamburg mit zwei zusammengeschlossenen Labornetzgeräten gefahren. Eines für den Fahrstrom, das zweite für das Licht und die mechanischen Funktionen. Die nämlich werden über die Außenschiene des 3-Leiter-Gleises angesteuert! Die mittlere Schiene führt den Fahrstrom und die Innenschiene ist die Masse. Seltsam - aber es funktioniert. Das erklärt auch, weshalb das Gleisbild nicht zu verändern ist. Abgesehen davon würde der Kabelbaum dann auch nicht mehr passen.

Die einzelnen Schienenstücke sind unterwärts durchnummeriert und MÜSSEN in der numerischen Reihenfolge verbaut werden - eben, weil im Außengleis die Funktionsstücke untergebracht sind. Schnurrig, nicht wahr??!!??

Der Originaltrafo sieht dem Trafo von American Flyer/Lionel aus der Zeit verflixt ähnlich! Allerdings ist er für eine Eingangsspannung von 127 Volt ausgelegt, was in den 1950er Jahren dem sowjetischen Lichtnetz entsprach. Die Amerikaner mit ihrem Lichtnetz von 110 Volt betreiben ihre Stalinbahnen mit diesem Moskabel-Trafo ohne Probleme. Ach ja: American Flyer hatte wohl 1948 eine riesengroße Modellbahnausstellung in Moskau. Haben also die sowjetischen Ingenieure einfach abgeguckt oder gab es Lizenzfertigungen?

Es gibt noch viele Fragen aber auch schon viele weitere Antworten. Ich werde Euch auf dem Laufenden halten.
Freundliche Grüße von Claudia

Hallo, Dieter!

Leider habe ich in Hamburg nicht fotografiert.

Eine Lok kann man auf dem Innenkreis nicht abstellen. Dazu müsste man dann eine Unterbrechung - mit Schaltung zum erneuten Anfahren - einbauen. Ich habe die Abteilwagen auf dem Innenkreis geparkt, dabei leuchtete die Innenbeleuchtung der Wagen weiter.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich allzu viel an dem Set ändern sollte. Immerhin geht es ja auch um die historisch korrekte Erhaltung. Großen Spielwert hat die Bahn also nicht. Es ist jedoch putzig zu beobachten, wie die Schranken auf und zu gehen, der Streckenwärter aus seinem Häuschen kommt und wieder drinnen verschwindet, wie der Bahnhofsvorstand den Arm mit der Kelle hebt und senkt und die Ampeln durch alle drei Lichtphasen schalten. Die Moskabel Pionerskaya ist also kein Spielzeug, sondern ein technisches Lehrmittel.

Im Moment erwarte und freue ich mich auf die Übersetzung der Betriebsanleitung. Ich habe mir zwar wegen meiner Reisen nach Russland vor einigen Jahren mal das kyrillische Alphabet beigebracht und kann also rudimentär lesen und verstehen - zu solch' einem komplexen Text reicht es aber lange nicht.
Andere Sammler haben mich darauf hingewiesen, dass es eine originale Betriebsanleitung in deutscher Sprache gegeben hat. Es soll wohl auch noch ein Exemplar davon vorhanden sein. Das ist aber für hohe Kader in der DDR gewesen.

Auch eine Aufbauanleitung mit erweitertem Gleisplan soll es im Original geben. Ich frage mich, ob es dann auch einen erweiterten Kabelbaum dazu gegeben hat. Na ja - viele Rätsel wollen gelöst werden!

Freundliche Grüße,
Claudia

Ja - die angebotenen Teile habe ich gesehen und mir auch die angefügten Fotos abgespeichert. Es macht wohl wenig Sinn, noch einmal eine komplette Anlage dazu zu kaufen, denn die Gebäude sind identisch. Allein die Brücke und den Bahnübergang gibt es in Varianten. Ich suche natürlich noch weiter nach denen, sowie nach einer blauen Lok und blauen Waggons. Vielleicht läuft mir ja mal sowas zu...

Lieber Botho!

Ich würde mich sehr freuen, den offiziellen deutschen Text zu dieser Bahn in Gaggenau ansehen zu dürfen.

Mittlerweile habe ich Kontkt aufgenommen zu Dave Boehm aus USA. Er ist DER führende Sammler von Moskabel Bahnen. Dave hat mir erlaubt, die Texte seiner Internetseite ins Deutsche zu übertragen und kostenlos allen interessierten Sammlern zur Verfügung zu stellen. Ich habe mich bereits an die Arbeit gemacht. Das Übersetzen ist nicht schwer - nur sind die Texte überaus umfangreich und ich komme nicht jeden Tag dazu, weiterzumachen. Vielleicht kann ich Dave ja noch überreden, uns auch die Fotos zur Verfügung zu stellen.

Wenn sich weitere Sammler meinen Bemühungen anschlössen, sollte es wohl möglich sein, ein kleines Kompendium zu dieser Bahn zusammen zu stellen...

Dave sammelt und handelt LIONEL in Spur 0. Somit hat sich mir auch der Zusammenhang zwischen Moskabel und Lionel erschlossen. Sieht man sich einmal einige Teile an, so fällt auf, dass Moskabel 1:1 plagiiert hat - z.B. die Wärterbude mit dem Bahnwärter, der herauskommt. Das ist deckungsgleich bis ins Detail mit Lionel!

Insgesamt ein interessantes Thema, das ich weiter verfolgen werde. Ich werde berichten!
Freundliche Grüße, Claudia

Das ist eine gute Idee, Dieter!

Zum Thema "Stalinbahn" lief mir heute ein interessantes Buch über den Weg:

Norbert Mausolf "Die Stalinbahn". Ich zitiere den Klappentext: WAHNSINN ODER VISION? Nach Ausbruch des "Kalten Krieges" ergriff der sowjetische Diktator Josef Stalin drastische Maßnahmen, um einen befürchteten Angriff der USA über das Nordpolarmeer abwehren zu können. Eine Eisenbahntrasse - fast 8.000 Kilometer lang - über den Permafrostboden der Tundra Nordsibiriens sollte den Nachschub für die Verteidigung sichern. Zum Bau dieser Strecke benutzte der größenwahnsinnige Imperator das Menschenmaterial der GULags. Bis zu Stalins Tod im März 1953 waren 1.500 Kilometer der Trasse mehr oder weniger fertiggestellt. Seine Nachfolger im Kreml stoppten den kostspieligen Bau umgehend. AUF SPURENSUCHE AM POLARKREIS. Die Fragmente dieses Bauwerkes waren das Ziel dreier Reisen an den nördlichen Polarkreis. Faszinierende Eindrücke aus einer rauhen und entlegenen Region sowie prägende Begegnungen mit den dort lebenden Menschen haben die Reisenden oft an ihre persönlichen Grenzen geführt. Die Zusammenführung der Reiseberichte zur "Stalinbahn-Trilogie" entführt den Leser auch in die kaum bekannte geschichtliche Vergangenheit der Stalinbahn. (Zitat Ende)

Meine Überlegung: die Moskabel Pionerskaya ist ein technisches Lehrmittel, um die damalige sowjetische Jugend für den Beruf des Eisenbahners zu begeistern. Warum musste das so breit gefächert geschehen - denn immerhin wurden ja ca. 6.000 Sets dieser Bahn gebaut? Hat Stalin die Modellbahn in Auftrag gegeben, um seine Bahnstrecke durch Sibirien zu bemannen?? Gibt es da einen Zusammenhang? Ich finde, das ist eine spannende Überlegung. Jedenfalls habe ich das oben genannte Buch bestellt und werde es lesen. Ich berichte dann.

Freundliche Grüße,
Claudia

Hallo, Tino!

Deiner Einschätzung muß ich jetzt aber mal energisch widersprechen!

Mittlerweile habe ich mich sehr intensiv mit dem Thema "Moskabel Pionerskaya" auseinander gesetzt. Es sind ca. 6.000 Exemplare der kompletten Bahn gebaut worden, darunter viele Raritäten. Zwei verschiedene Loksysteme, Farbvarianten, Varianten der Bauwerke etc. Die Moskabel-Bahn ist ein interntional geschätztes und verbreitetes Sammelgebiet! Insbesondere, da 1948 die US-amerikanische Modellbahnfirma LIONEL in Moskau ausgestellt hat und deren Gebäude und Waggons sowie der Trafo z.T. unverändert in die sowjetische Produktion übernommen wurden. Da haben besonders US-amerikanische Lionel Sammler zugeschlagen und angefangen, Moskabel dazu zu sammeln.

Also: spuck' keine großen Töne, wenn Du es nicht besser weißt! Nee - im Ernst: schau doch mal auf Dave Boehms Seite www.davestrains.com Da gehen Dir die Augen über!!!

Freundliche Grüße von Claudia

Danke Botho!
Ich freue mich schon sehr auf diesen Zuwachs an Information.
Liebe Grüße an Dich und Alice,
Claudia

Dieter -

die Industrialisierung der UdSSR war 1951 schon fortgeschritten. Während des 2. Weltkrieges hat die Rüstungsindustrie ja Unglaubliches geleistet! Das musste nach Ende des Krieges nur "umverteilt" werden. Und noch unter dem Eindruck der "alliierten" Siegermächte wurde die amerikanische Firma LIONEL 1948 nach Moskau eingeladen, um dort eine riesige Modellbahnausstellung zu präsentieren. Da war also noch nix mit "Kalten Krieg"! Wahrscheinlich gab es Kooperationsverträge zwischen den Amis und den Sowjets, denn LIONEL ist 1:1 in Moskabel wiederzuerkennen! Ganze Bauteile sind identisch - nicht nur abgekupfert...