RE: Warenzeichen-Anmeldung Märklin und Distler 1910 und Hess 1899 - 2

Hallo,

von 1875 bis 1894 gab es das "Gesetz über Markenschutz". Das geschützte Markenzeichen wurde bei dem zuständigen Amtsgericht vom Hauptsitz der Firma angemeldet.

Schnell stellte sich heraus, dass dieses Verfahren zu Chaos führte, weil man den Überblick verlor, welche Firma wo ein Warenzeichen angemeldet hat. Aus diesem Grund wurde das "Gesetz zum Schutz der Waarenbezeichnungen" 1894 so eingeführt, dass alle Veröffentlichungen über das Patentamt liefen.

Wenn ich richtig informiert bin, gab es bereits seit 1875 Zusammenfassungen der wichtigsten Markenzeichen beim Verlag Heymanns. Größere Bestände gibt es wohl in den Universitätsbibliotheken in Bochum und Dortmund.

Schönen Gruß
Udo

vergl. # 8

Hier noch die Waarenzeichenanmeldung von Bing für die Fabrikmarke mit Strahlenkranz von 1903. Udo hatte ja bereits schon die meisten Waarenzeichen entdeckt, aber dieses Bing Waarenzeichen hat er wahrscheinlich übersehen, weil die Marke nicht in Klasse 35 eingetragen wurde:



Eine beeindruckende Auflistung. Sogar Klosettpapierhalter. Falls jemand solche Haushaltswaaren, die von den üblichen Begehrlichkeiten abweichen, besitzen sollte: bitte Bilder einstellen...

Stefan, ja, übersehen. Ich denke, dass ich manches übersehen habe, denn die gesammelten Werke sind so umfangreich, da braucht man Monate, um alles zu sehen und zu lesen.

Zum Bild von Stefan: Einfach anklicken. Dann steht es senkrecht, und wenn man nochmals anklickt, wird alles vergrößert.

In Bezug zu Bing weiß ich, dass es Sammler gibt, die Kochtöpfe mit dem BING-Zeichen haben.

Schönen Gruß
Udo

Ja, so einen Kochtopf habe ich auch, auch Teekannen und Kaffeservices, aber sowas Exotisches wie ein Toilettenpapierhalter von Bing ist mir noch nie über den Weg gelaufen.



PS: Ich weiß nicht, wieso bei mir die Bilder immer scheps sind. Auf dem Handy schaut immer alles gut aus, bis ich es hochlade.

Das Exotischste ist bisher eine Mini-Petroleumlampe von Bing - kaum 9cm hoch mit Docht.

Neben den, für den Sammler interessanten Informartionen wie Datierung ist das Thema Markenzeichen ungemein faszinierend. Nichts gibt den Zeitgeist besser wieder als die Entwicklung der Markenzeichen.
Etwa für welche Produkten wurden mit Markenzeichen registriert: in den Anfängen waren es neben den Dauerbrennern Suchtmittel wie Tabakwaren und Spirituosen vor allem Nachtlichter, später dann Chemie und Pharma.

Vor dem Ersten Welkrieg gibt es viel Kriegstreiberei und Hurra-Patriotismus, danach sind die Themen mehr Frieden und trautes Heim, auch Produkte wie Psychopharmaka und Prothesen tauchen vermehrt auf.

Keine Erfindung oder Ereignis hat in den Marken nicht seine Spuren hinterlassen: die Entdeckung der Röntgenstrahlen, Wrights erster Flug, die Liste lässt sich beliebig weiterführen.
Stilistisch und beim Schriftsatz sind auch klare Epochen sichtbar.

Auch ist interessant, wieviele Bekannte Marken sich 100 oder mehr Jahre zurückverfolgen lassen.


Vor dem 11.Oktober 1894 wurden die Marken im Reichsblatt veröffentlicht. Das Markenzeichenblatt, wie es Udo in gebundener Form besitzt, kann für 1894 und 1895 von Interessierten hier gelesen und heruntergeladen werden:

https://books.google.ch/books?id=-9twHbG...epage&q&f=false

https://books.google.ch/books?id=0ScsDV2...epage&q&f=false

Einige zusätzliche Markeneinträge, alle aus dem Reichsanzeiger, ich werde weitere hochladen, aber von den 100 Marken von Bing muss ich noch eine Liste machen.

Von Carette


Von Carette, am 10.5.1918 von Bing übernommen:


Von Carette, am 10.5.1918 von Bing übernommen:


Von Carette, am 10.5.1918 von Bing übernommen:


Von Carette für Bier:


Am 22.06.1911 von Carette übernommen:




Gruss Domenik

Weitere

Löwenstein


Issmayer, gelöscht am 16.10.1885:


Schoenner, Urspünglicher Eintrag von 1875:


Schoenner, Umgeschrieben auf Mechanisch-Optische Spielwarenfabrik Georg Lutz G.m.b.H. am 30.3.1911, gelöscht am 26.7.1915:


Schoenner:

Uebelacker:




Uebelacker für Kondome:


Hessemer:

Oben bei Carette: MIR-A-MAS. Geschäftsbetrieb: Brauerei, Waren: Bier.

Hintergrund: Carette hatte die Tochter vom Bierbrauer Lederer geheiratet. Und von Carette gibt es kaum Werbung auf seinen Güterwaggons mit Ausnahme von insgesamt vier Waggons von Lederer-Bräu; 2x Pennytoys von Hess in schwarz und schwarzrot (für Carette hergestellt) und einmal in Spur 0 und 1.

Noch ein paar mehr:

Frank Hornby erfand Meccano um 1901 und gründete 1908 die Firma Meccano Ldt.

Süsskind war wohl der erste Importeur und schützte die Marke 1908:


1910 wurde die Marke Raylo für Meccano Ldt. eingetragen:



Am 28.Juni 1912 gründete Frank Hornby die Meccano G.m.b. H. in Berlin für den Import seiner Produkte und die Marke Raylo wurde für 10000M an die Einlage angerechnet:







1915 wurde die Meccano G.m.b.H. unter Zwangsverwaltung gestellt und 1916 liquidiert.

1918 hat Märklin das Warenzeichen eintragen lassen:


Die Meccano G.m.b.H. wurde 1932 nach Düsseldorf verlegt, 1933 wurde die Zweigniederlassung in Berlin geschlossen und 1937 wurde die Gesellschaft aufgelöst.

Die Niederlassung in den USA wurde schon 1929 an Gilbert verkauft:

Hier mal was zu Modellautos:

Dinky Toys von Meccano. Dinky übersetzt sich mit niedlich, schnuckelig.





Philipp Ullmann war an Tipp & Co in Fürth beteiligt und ab 1919 alleiniger Besitzer. 1933 floh er nach England und Tipp & Co wurde mit dem ehemalige Direktor von Bing, Ernst Horn unter Zwangsverwaltung gestellt. Bei der Flucht muss Ullmann ein Vergehen gegen die Devisenordung begangen haben, dem Versicherungsagenten Alexander Tachauer wurden wegen Beihilfe die Möbel beschlagnamt.
Zusammen mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Arthur Katz, der 6 Monate später ebefalls floh, gründete er Mettoy. Wenman Bassett-Lowke stellte ihnen in Northampton Räume zur Verfügung. Später haben sie in Swansea in Wales eine eigene Fabrik gebaut. 1937 wurde Philipp Ullmann ausgebürgert und sein Vermögen beschlagnamt. Am 24. April 1939 ist Tipp & Co offiziell in den Besitz des Deutschen Reiches übergegangen. Damit lässt sich die Affinität der Firma zu Kriegsspielzeug und die Produktion solcher bis weit in die Kriegsjahre gut erklären.
1948 kam Tipp & Co wieder zurück in den Besitz von Ullmann.

Als Marke für ihre Zinkdruckgussautos hat Mettoy Corgi gewählt, da Hunderasse Welsh Corgi einen lokalen Bezug hat und man sich von der Assoziation mit der Lieblingshunderasse der Königin Vorteile erhoffte. Für die kleineren Autos nutzte man ab 1964 die Hunderasse Husky, später wurden diese dann in Corgi Juniors umbenannt.




Julius Kohnstam gründete 1890 in London eine Zweigniederlassung des Familienunternehmens Moses Kohnstam aus Fürth. Als er 1935 starb übernahm sein Sohn Richard. 1933/34 stellten die Brüder Kohnstam den Betrieb in Fürth ein. Das Gebäude in Fürth wurde 1938 unter Wert an Gustav Schickedans / Quelle verkauft.
Hans Kohnstam der Sohn eines Bruders floh nach Amsterdam, wo die Familie eine Wohnung unter Anne Franks Familie bezog. Nach dem Einmarsch in die Niederlande 1942 flohen sie über mehrere Stationen nach Argentinien.
Zwei der Töchter von Moses Kohnstam wurden in Lodz umgebracht.
Nach dem Krieg übernahm Richard Kohnstam in London den Vertrieb von Lesney wodurch die ersten Matchbox-Kartons mit Moko bezeichnet sind. 1959 verkaufte er die Firma an Lesney und gründete RiKo.
(Siehe auch http://www.pieterkohnstam.com/about-pieter-kohnstam.html)



Die drei Lines Brothers bilden zusammen ein Tri-Ang.



Gruss Domenik

Zitat von Sackbahnhof im Beitrag #38

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Philipp Ullmann war an Tipp & Co in Fürth beteiligt und ab 1919 alleiniger Besitzer. 1933 floh er nach England und Tipp & Co wurde mit dem ehemalige Direktor von Bing, Ernst Horn unter Zwangsverwaltung gestellt. Bei der Flucht muss Ullmann ein Vergehen gegen die Devisenordung begangen haben, dem Versicherungsagenten Alexander Tachauer wurden wegen Beihilfe die Möbel beschlagnamt.

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Hallo Udo

sehr interessant der Zusammenhang mit Fandor/Einfalt.
Erstaunlich ist, dass man sich überhaupt noch den Schein von Rechtstaatlichkeit geben wollte.
Perfid ist die Auslegung, dass man bei Deportation z.B. nach Polen Reichsflucht beging und damit ausgebürgert und das Vermögen konfisziert werden konnte und das auch auf Familienangehörige ausgeweitet werden konnte.
Zumindest hat Ullmann genug früh die Zeichen der Zeit erkannt und ist geflohen.





Gruss Domenik

noch eine kurze Ergänzung zu den Autos:

Tipp & Co







Tekno aus Dänemark hat auch schöne Autos gebaut. Die frühen Blech-Ambulanzen und Feduerwehrautos sind einige der wenigen bezahlbaren Fahrzeuge, die stilistisch zu Spur 1 Blechbahnen passen:



Sieper hat zu Beginn vorallem Kunststoffspielzeug hergestellt (SIeper KUnststoff):


Lego, neben Holzspielzeug und den bekannten Bausteinen auch Kunststofffahrzeuge:





Gruss Domenik

Hallo,

in Beitrag #40 habe ich von einem Verfahren wegen Nichtzahlung der Reichsfluchtsteuer geschrieben. Bis heute war ich der Annahme, dass sei eine Erfindung der Nazis zum Schaden der jüdischen Bevölkerung gewesen. Dem ist aber nicht so.

»Reichsfluchtsteuern« musste man für die Ausreiseerlaubnis bezahlen – 25 Prozent auf das gesamte Vermögen. Diese Steuer hatte die Regierung des Zentrumspolitikers Heinrich Brüning 1931 eingeführt, um Deutsche von der Auswanderung abzuhalten. Ab 1933 wurde die Steuer zum Ausplündern der Juden instrumentalisiert.

Das nur zur korrekten Darstellung.

Schönen Gruß
Udo

Historische Marken-Einträge für Frankreich ab 1791 sind bei INPI veröffentlicht.
Die Scans sind nach Art und chronologisch zu etwa 600 Einträgen gruppiert.
Da keinerlei Metadaten hinterlegt wurden, müssen die Bilder einzeln durchgeklickt werden.
Dabei variiert die Lesbarkeit stark, die Marken sind handschriftlich, als Zeichnungen, Stempel oder etwa eingeklebte Verpackungen wiedergegeben.
Spielwaren (jouets) sind von 1858 bis 1917 digitalisiert (520 + 600 + 600 Eintragungen).
https://archives.inpi.fr/recherche/marque-de-1857-a-1920

Hier nur ein paar ausgewählte:

Didier Dessein (06.06.1825 – 06.06.1885) macht eine Lehre als Spengler und heiratete 1848 Anne Joséphine Adèle Grassot, die Tochter seines Lehrmeisters Pierre Grassot. Im gleichen Jahr übernimmt er dessen 1823 gegründete Spielwarenmanufaktur. 1851 stirbt seine Frau. Er heiratet im Mai 1852 seine zweite Frau Sophie Catherine Chalmard, die weniger als zwei Jahre später auch stirbt. Seine dritte Frau wird 1855 Anne-Augustine Symon, Witwe von Charles Potier mit der er eine Tochter hat. 1876 wird Stiefsohn Georges Potier (???? - 03.1885) Eigentümer.
D(essein) S(ymon) mit Lok, Scan 52 von 1875:


D(essein) S(ymon), Scan 181 von 1878:


1885 nach dem Tod von Georges Potier wird die Firma von den Brüdern Eduard und Fernand Lefèvre übernommen. Diese hatten ihre Firma am 29.01.1878 als Nachfolger des Spielwarenfabrikanten (Adressbuch 1877: Grossist) Jules Edmond Faivre gegründet. Die Produkte sind nun mit D.S.-F.V. gemarkt.
Am 01.01.1896 wird "E. und F. Lefèvre" von Charles-Victor-Etienne Roussel und Albert Dufrien ("Roussel & Dufrien") übernommen. Albert Dufrien betrieb seit 1886 eine eigene Spielwarenfabrik. 1899 kaufen sie 2 weitere Firmen und vermarkten alle Produkte in einem eigenen Katalog.
Am 27.03.1901 wird der Vertrag für eine Aktiengesellschaft unter dem Namen "Le Jouet de Paris" aufgesetzt.
Neben den Firmen von Roussel und Dufrien schliessen sich 5 weitere Hersteller an:

1. Herr Maurice Bonnet; (Bruder von 'VéBé' Victor Bonnet, Nachfolger von Hypolite-Charles Barré – kleine Eisenbahnen, Strassenbahnen, Autos)
2. Herr Louis-Jules Douliot; (Pferderennen)
3. Herr André Duclos; (Gummi?-Puppen)
4. Die Société Leconte et Cie, vertreten durch die Herren Hippolyte Léconte und Hilaire-Macaire Gourrier deren einzigen Mitglieder; (Pferderennen, mech. Blechspielwaren)
5. Herren Pierre-André Tantet oder Louis Manon in deren Namen und als einzige Mitglieder
der Gesellschaft Tantet et Manon; (Eisenbahnen, mech. Blechspielwaren)
6. Die Socitété Roussel et Dufrien, vertreten durch die Herren Charles-Victor-Etienne Roussel
und Albert Dufrien, deren einzigen Mitglieder. (Nachfolger von Dessein/Faivre/Lefevre – Eisenbahnen; Richard frères/Auguste Vilain – Spielzeug, Bälle und ev. Georg eine weitere Marke unter JdeP, die im Adressbuch 1903 noch aufgeführt wird,)

Sitz der Firma ist die Rue Gambey 15, wo seit 1886 Arthur Dufrien geschäftet.
(Le)J(ouet de )P(aris), Scan 47 von 1902:


1906? wird in Montreuil, einer direkt östlich an Paris angrenzenden Kleinstadt eine Fabrik gebaut.
Roussel & Dufrien hatten in Montreuil-sous-Bois schon seit 1886 eine Fabrik.
1909 brennt die Fabrik ab und "Le Jouet de Paris" muss an die Societe Industrielle Ferblanterie (SIF) verkauft werden.


Marie-Honoré Radiguet (16.01.1791 – 05.10.1867) hat 1830 in Paris ein Optikergeschäft übernommen.
Sein Sohn Honoré-Antoine Radiguet (02.10.1824 – 11.09.1887) wird um etwa 1849 Teilhaber, nun „Radiguet & Fils“. In zahlreichen Industrieausstellungen präsentierten sie parallele Linsen.
Mit Enkel Arthur-Honoré Radiguet (08.04.1850 – 06.12.1905) in der dritten Generation werden ab 1872? Modelldampfmaschinen hergestellt (Nachweis 1876, Weltausstellung Philadelphia).
Um 1880 wird das Sortiment um elektrische Geräte erweitert.
Nach der Entdeckung der Röntgenstrahlung 1895 werden Röntgengeräte hergestellt und Röntgenfotographien verkauft. Arthur Radiguet starb nach langen Jahren des Leidens an einer Strahlenkrankheit.
Am 06.10.1899 wird Schwiegersohn Georges Jules Massiot (1875 - 1962) Teilhaber, die Firma heisst nun nun „Radiguet & Massiot“. Kurz darauf, am 15.10.1899 wird Molteni übernommen, welcher ein bedeutender Hersteller von Projektionsgeräten ist.
Unter Jean André Massiot (19.11.1901 – 16.11.1979) spezialisiert sich das Unternehmen ganz auf die medizinische Bildgebung, schliesst sich Philips an „Massiot-Philips Radiologie“ und besteht als „Philips Medical Systems“ bis heute.

Scan 106 von 1880 in Maschinen und Apparaten:

Radiguet et Fils:
H(onoré)
R(adiguet) & F(ils)
A(rthur)


Auch ausländische Marken wurden in Frankreich eingetragen. Z.B. findet man zwei von Carette unter dem Scan 487 und 488 bei den Spielwaren 1909.
Märklin war wohl schon um 1900 in Paris vertreten. Das bekannte Katalogbild 'Hokusai trifft Lokomotive' ist in Scan 340 von 1910 (341 ist das GM&Cie im Wappenschild):


Der jährliche Handels- und Industrie-Almanach hat jeweils eine Branchenteil, unter Jouet sind teilweise Marken abgebildet, bzw. Firmenkürzel angegeben:
Suche "annuaire-almanach du commerce, de l'industrie" bei https://gallica.bnf.fr

Auch die Patente sind ab 1791 verfügbar, wobei die Suche wegen den beschränkten Metadaten nicht immer die gewünschten Resultate bringt:
https://archives.inpi.fr/brevets

Klasse Domenik, vielen Dank!
Viele Grüße Wolfgang